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Mental Load

und emotionale Isolation

Von Chris Gust

Die (meist) von Frauen und besonders Müttern geleistete Care-Arbeit wird in unserer Gesellschaft absolut zu Unrecht immer noch zu geringschätzig behandelt. Die emotionale und mentale Zerrissenheit, die für Frauen zwangsläufig damit einhergeht, wird kaum berücksichtigt.

Der Hashtag „workingmums“ bringt dabei ungewollt das Grundproblem der Gesellschaft in Bezug auf die Wertschätzung der Care-Arbeit auf den Punkt, obwohl er eigentlich die Doppel- und Mehrfachbelastung aufzeigen soll. Aber selbst in diesem Begriff ist die Geringschätzigkeit gegenüber Care-Arbeit enthalten, als würden Mütter per se nicht arbeiten, sondern erst, wenn sie außerdem „richtig“ lohnarbeiten. Der „Wert“ von Frauen, besonders von Müttern, wird daran gemessen, ob sie einer Lohnarbeit nachgehen, oder nicht bzw. nur teilweise. Die von Frauen und besonders Müttern geleistete Care-Arbeit wird meist immer noch als „selbstverständliches Nebenprodukt“ angesehen. Die emotionale und mentale Zerrissenheit, die für Frauen zwangsläufig damit einhergeht, wird kaum berücksichtigt.

Um die (finanzielle) Abhängigkeit der Frauen und Mütter vergangener Generationen in einer nicht gleichberechtigten Gesellschaft zu ändern, wurde Frauen über viele Jahr eingebläut, dass sie unbedingt einen „richtigen“ Job weiter ausführen müssen, um auch für´s Alter vorzusorgen usw. Die Abwertung der Care-Arbeit von Müttern (natürlich auch von allen anderen, die sie ausführen) hierbei ist eigentlich eine Ohrfeige für alle Haushälter:innen, aber diese werden für ihre Tätigkeiten im Haushalt (Kindererziehung- und Betreuung, Essenszubereitung, Putzen, Kochen usw) wenigstens bezahlt.

Natürlich sollte es für Frauen nicht nur erstrebenswert, sondern selbstverständlich sein, nicht in einer Abhängigkeit zu leben und sich um Themen wie beispielsweise Altersvorsorge nicht mehr Sorgen machen zu müssen als alle anderen.

Lange Zeit wurden Frauen somit darauf konditioniert, dass sie alles tun können oder sollten. Erfolgreich im Job, liebevolle Mutter und perfekte Ehefrau, so wurde es lange Zeit vorgelebt. Das ist allerdings von Gleichberechtigung meilenweit entfernt und macht es Frauen unmöglich, in den verschiedenen Bereichen „einfach einen guten Job“ zu machen. Ist aber immer noch die Messlatte, an der Frauen und Mütter bewertet werden. Doch um an der Illusion dieser „workingmums“ etwas zu ändern, muss die Gesellschaft insgesamt umdenken. Es ist nicht gesund, was von Frauen und eben besonders Müttern heutzutage erwartet wird, denn diese Anforderungen der Gesellschaft an Frauen sorgen nicht „nur“ dafür, dass besonders Mütter überlastet sind und in emotionaler Isolation leben, sondern es werden damit auch gleichzeitig die Weichen für die nächste Generation gestellt. Diese emotionale Isolation, die Einsamkeit ist nicht zu unterschätzen, deshalb freuen wir uns, mit unserer App auch besonders für all die betroffenen Care-Arbeitenden einen großen Unterschied machen zu können.

Die wenigsten dieser „workingmums“ würden übrigens offen zugeben, wie ausgelaugt sie sind. Wie wütend, frustriert, überfordert und vom eigenen Ich so entfernt, wie es irgendwie geht. Sie befinden sich oftmals in einem Überlebensmodus, funktionieren, aber haben keinen Platz in ihrem Alltag für Pausen und Erholung, sind als Mütter sogar 24/7 im „Dienst“ – auch im „Urlaub“…

Doch wenn wir uns in einem Überlebensmodus befinden, sind wir nicht in der Lage, gute Selbstfürsorge und gesunde Beziehungen vorzuleben. Wie auch? Wir können dann unsere Kinder emotional gar nicht so unterstützen, wie sie es für eine gesunde Entwicklung brauchen würden, wie sehr wir uns auch in jeglicher Hinsicht als #workingmums genau dafür abstrampeln.

Die Konsequenzen können Traumata sein, wenn Kinder in Familien aufwachsen, in denen sich die Eltern dauerhaft im Überlebensmodus befinden. Und eben diese Traumata können wiederum zu psychischen Erkrankungen führen. Die heutigen Mütter leben nicht selten in emotionaler Isolation. „Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen“ kommt nicht von ungefähr, früher war es der Familienverband, das Dorf oder die Gemeinschaft, die half, heute bleibt es meist Sache der Frau (und natürlich der Männer, die mitwachsen und sich ihrer Verantwortung bewusst sind und entsprechend handeln) und das zusätzlich zur Lohnarbeit, die frau machen möchte (!) oder muss, um unabhängig bleiben und für sich und das Kind/die Kinder sorgen zu können.

Wir müssen anfangen, der Gesellschaft beizubringen, dass es so nicht gesund funktionieren kann. Care-Arbeit muss genauso bezahlt werden, wie andere Arbeit auch. In einer Beziehung kann dafür ein Ansatz sein, dass der nicht-care-arbeit-leistende Part sich zunächst über den Wert und das Ausmaß der Care-Arbeit klar wird (Beispiel: Haushälter:in). Dann können gemeinsam individuelle und faire (finanzielle) Modelle entwickelt werden, die keine Benachteiligung mehr zulassen. Parallel muss ein allgemeines Umdenken im Sinne der Gleichberechtigung stattfinden: wenn Mütter Vollzeit arbeiten möchten, muss das für sie genauso selbstverständlich möglich sein, wie für Männer. Davon sind wir noch meilenweit entfernt, es  beginnt nämlich bereits mit wertenden und verurteilenden Sprüchen usw. Bei Männern wird nicht die Liebe zum Kind / den Kindern in Frage gestellt, wenn es eine andere Betreuungslösung gibt.

Fakt ist: Care-arbeitende-Mütter (und -Väter) sind an vielen Stellen überfordert. Zu der Zerrissenheit im beruflichen Hinblick und der damit einhegenden Unzufriedenheit kommen oft noch unrealistische Ansprüche/Vorstellungen in Bezug auf die moderne Kindererziehung, sowie die Ansprüche der Gesellschaft an die Frau an sich hinzu, aber darauf werde ich mal an anderer Stelle eingehen. Und es ist zum Haare raufen, was Frauen sich diesbezüglich aus der eigenen Unsicherheit heraus, untereinander antun, anstatt jeder das eigene Lebensmodell zuzugestehen und sich gegenseitig in der freien Entscheidung zu unterstützen.

Es muss sich definitiv etwas an der Haltung der Gesellschaft ändern, damit die Anforderungen an Frauen und besonders Mütter realistisch und umsetzbar/machbar werden.

Wenn Ihr betroffen seid, freuen wir uns, dass Ihr auf uns aufmerksam geworden seid. Denn die App bietet Euch nicht nur die Möglichkeit, Euch mit Gleichgesinnten zu vernetzen, sondern auch, das zu den Zeiten zu tun, wo es für Euch neben allem anderen gerade passt.